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WBZ

Gespräch mit Prof. Ruchniewicz „Neue Aussichten auf das Sichtbare Zeichen“
Freitag, den 04. Februar 2011 um 07:38 Uhr

 

 

Wir sprechen mit Krzysztof Ruchniewicz, dem Direktor des Willy Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien der Universität Wrocław, als einem der beiden polnischen Mitglieder über das erste Treffen des neuen wissenschaftlichen Rates der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“.


Die erste Zusammenstellung des Rates, der sich mit der Konzeption des „Sichtbaren Zeichens“, einem Museum zum Thema Vertreibung in Berlin befassen soll, war aufgelöst worden, nachdem der Pole Prof. Tomasz Szarota, die Tschechin Dr. Kristina Kaiserowa und die deutsche Publizistin Helga Hirsch aus Protest ihr Amt niedergelegt hatten. Die Einigung über die Art und Weise, in der der erzwungenen Migration im Europa des 20. Jahrhunderts gedacht werden soll war durch die Tatsache erschwert worden, dass die Idee, das Museum in Berlin, nahe des Holocaust-Mahnmals zu errichten von der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen Erika Steinbach stammte. Historiker, die nicht in die deutsche national-konservative Richtung tendieren befürchteten, dass somit das Schicksal der deutschen Vertriebenen zu sehr hervorgehoben wird und die Geschichte verfälscht werden könnte. Der neue 15-köpfige Rat wurde am 22. November 2010 einberufen. Seine erste Sitzung fand am vergangenen Freitag, den 28. Januar in Berlin statt.

 

Małgorzata Porada: – Sowohl die polnische als auch die deutsche Presse schweigt. Daraus lässt sich schließen, dass niemand beleidigt, keine Türen zugeknallt und, dass die Polen, das heißt Sie und Prof. Piotr Madajczyk nicht in eine hinterlistige Falle von Erika Steinbach und den Vertriebenen gelockt wurden?

 

Professor Krzysztof Ruchniewicz: – Ich erinnere daran, dass unsere Ernennungen von Bernd Neumann, dem Kulturbeauftragten der Bundesregierung unterzeichnet wurden. Das Gremium ist international und in ihm sitzen Historiker, nicht Politiker. Ich hatte keine Angst vor einer Falle. Minister Neumann beriet sich so lange, bis ein Vorsitzender für den Rat ausgewählt wurde. Es handelt sich hierbei um Stefan Troebst von der Universität Leipzig, der auch Kuratoriumsmitglied des Willy Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien der Universität Wrocław ist.

 

Mit Sicherheit kennen Sie das Forschungsgebiet und die Ansichten von Prof. Troebst sehr gut.


Er ist ein Historiker von hohem internationalen Rang, sehr vielseitig, an den Problemen Mittel- und Osteuropas interessiert, spricht mehrere Sprachen, u.a. spricht er Polnisch und liest auf Tschechisch. Er befasste sich komparativ mit verschiedenen Erinnerungskulturen. Die Thematik der Vertreibung ist für ihn nicht neu. Er ist einer der Redakteure des „Lexikons der Vertreibungen“, das im vergangenen Jahr in Deutschland erschien und unter den Hunderten von Autoren dieser Studie sind auch Wissenschaftler unserer Universität. Er schrieb das Vorwort zur deutschen Version des von Wrocławer Historikern herausgegebenen „Atlas Zwangsumsiedlung, Flucht und Vertreibung Ostmitteleuropa 1939-1959“. Er ist nicht politisch motiviert und hat Erfahrung mit der Leitung von großen internationalen Gremien und Forschungsgruppen.

 

An dem Treffen nahm der Direktor der Stiftung Prof. Manfred Kittel teil, der der national-konservativen Seite angehören und dem Bund der Vertriebenen nahestehen soll.

 

– Prof. Kittel ist Mitglied des Wissenschaftlichen Rates ohne Stimmrecht. Tatsächlich hat er national-konservative Ansichten, doch teilt er wirklich die Ansichten des Bundes der Vertriebenen? Prof. Kittel befasste sich unter anderem mit dem sinkenden Interesse am Schicksal der Vertriebenen in der Bundesrepublik, besonders in der Zeit der 70er Jahre. Vor einigen Jahren veröffentlichte er eine Monographie zu diesem Thema unter dem Titel „Die Vertreibung der Vertriebenen“.

Unabhängig von den Gründen, Schuld oder Unschuld, ihre Heimat verlassen zu müssen war für die Menschen eine Tragödie, zumal das Ausmaß der deutschen Zwangsmigration riesig war: Etwa 12 Millionen Deutsche haben ihre Heimat verloren. Ihre Landsleute haben sie äußerst kühl empfangen. Verächtlich nannte man sie „die Leute mit den Rucksäcken“. Zum Vergleich wurde die Vertreibung der Polen aus den ehemaligen Ostgebieten des Landes in den ersten Nachkriegsjahren auf etwa 1,5 Millionen Menschen berechnet. Dies sind die Tatsachen, doch bedeutet das nicht, dass der Schmerz geringer war, da die Zahl kleiner ist. Dies bedeutet auch nicht, dass das Leid der Deutschen geringer war, da sie den Krieg angefangen haben.

 

Die Grundlage für die Arbeit des Rates soll die von Prof. Kittel erstellte Rahmenkonzeption des Museums sein.


– Das ist ein Missverständnis. Manfred Kittel hat natürlich das entsprechende Dokument erstellt, doch dieses sollte der Ausgangspunkt für Debatten sein. Es wurde uns nicht als Leitlinie oder Maßregel auferlegt.

 

Sehen Sie das Projekt der Stiftung als ein europäisches oder deutsches an? Und wer soll sich mit wem versöhnen? Denn aus den Aussagen Manfred Kittels geht hervor, dass er der Vertreibung der Deutschen gedenken und sie verurteilen will, sei sie doch „in den Hintergrund gedrängt“ worden von anderen Zwangsmigrationen. Die Versöhnung soll dagegen „innerhalb der deutschen Gesellschaft“ erfolgen. Kurz gesagt: Wir werden in eine Nebenrolle verdammt und nur die Deutschen allein verzeihen einander „den kühlen Empfang“?

– Das waren ungeschickte Äußerungen. Ich verstehe das Projekt selbstverständlich als ein europäisches. Was wäre andernfalls meine Arbeit darin? Die Vertreibung der Deutschen – eingeleitet durch die Flucht vor der anrückenden Roten Armee und die Vertreibung durch die Menschen, die sie nicht als Nachbarn haben wollten – ist eine von vielen Vertreibungen im Europa des 20. Jahrhunderts. Diese Vertreibungen waren die Auswirkungen des braunen und roten Totalitarismus, des Nationalismus, der nach ethnischer Homogenität strebte, jedoch keine Logik verfolgte, Art, Verlauf und unmittelbare Gründe waren verschieden.

Das Stichwort Versöhnung finde ich in diesem Zusammenhang überhaupt unpassend. Versöhnen können sich Menschen, die tragische Erfahrungen machen mussten, jedoch nicht die Organisatoren einer Ausstellung. Von den Opfern und Tätern der Vertreibung – viele traten in der Tat in diesen beiden Rollen auf – wollten sich manche versöhnen und haben das bereits getan. Andere können nicht verzeihen und wir sollten sie in Frieden lassen. Mir wäre das Wort Einigung lieber. Einigung über die Bewertung der Tatsachen aus der Vergangenheit, über die daraus zu ziehenden Schlüsse und über die Zukunft in einem gemeinsamen Europa.

 

Wenn auch für die Ratsmitglieder nicht unbedingt verbindlich, so sollen Sie das von Prof. Kittel vorgeschlagene Dokument zu Beginn einer ausführlichen Analyse unterziehen.


– Mir ist nichts dergleichen bekannt. Wir haben uns darauf geeinigt, dass jedes der 15 Ratsmitglieder bis 20. Februar eine eigene, dreiteilige Ausarbeitung vorbereitet. Erstens soll sie grundsätzliche Dinge klären, etwa wie das jeweilige Verständnis der Zwangsmigration im 20. Jahrhundert; den zeitlichen und geographischen Rahmen, die Bedeutung der Ereignisse beurteilen. Zweitens sollen die unserer Meinung nach heute strittigen Fragen aufgezeigt werden. Zuletzt soll ein Vorschlag abgegeben werden, wie die genannten Probleme in einer Ausstellung präsentiert werden können. Diese Standpunkte leiten wir an Prof. Troebst weiter, der eine Zusammenfassung vornimmt und einen Katalog der Probleme zu weiteren Diskussion erstellt. Das Ergebnis erfahren wir während des nächsten Treffens, das für Ende März vorgesehen ist.

 

Und ich habe bereits in den Zeitungen gelesen, wie viele Ausstellungsräume es geben wird und was in welchem zu finden sein wird...

Mit Sicherheit wird all das nicht so schnell entschieden. Die Ergebnisse des Rates werden an Spezialisten weitergeleitet, die letztendlich über die Ausstellung selbst entscheiden. Die Ausstellung ist schließlich nicht alles. Das „Sichtbare Zeichen“ soll auch eine Lehr- und Forschungseinrichtung werden. Sie soll über ein Archiv, eine Bibliothek und ein Informationszentrum verfügen. Ich würde mir wünschen, dass sich an der Diskussion um ihre Gestalt und Wirkungsform auch Historiker außerhalb unseres Gremiums beteiligen. Bestimmt werden wir einige Experten der Problematik der Zwangsmigration auch zu unseren Treffen einladen. Ich würde es begrüßen, wenn der Rat offene Debatten und Forschungskonferenzen initiieren würde.

 

Im Rat sitzen 10 Deutsche und 5 ausländische Mitglieder. Wie viele von diesen 10 Deutschen haben national-konservative Ansichten?


- An der letzten Sitzung haben 13 von 15 Ratsmitgliedern teilgenommen. Sie vertreten verschiedene Ansichten, was durchaus wünschenswert ist. Es geht schließlich um eine offene Debatte, was in demokratischen Gesellschaften eine völlig normale Sache ist. In einer Abstimmung haben wir Prof. Troebst als Vorsitzenden gewählt, einen liberalen Historiker mit hoher wissenschaftlicher Autorität. Unabhängig von den Ansichten Einzelner, sagt diese Wahl etwas über den Rat aus. Für mich persönlich ist die Person Prof. Troebsts die Garantie für die politische Unabhängigkeit und wissenschaftliche Integrität der Arbeit des Rates.

 

Interviewer: Małgorzata Porada


Fotos Bundesarchiv:

1.      Die Vertreibung der Deutschen aus dem Warthe-Land (W. Holtfreter, 1939)

2.      Deutsche Flüchtlinge aus Pommern in Berlin (1945)