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Willy Brandt
Willy Brandt, eigentlich Karl Herbert Frahm, geb. in Lubece am 18.Dezember 1913. Gestorben am 08.10.1992 in Unkel. Herausragender westdeutscher Politiker, Kanzler der BRD 1969-1974, 1971 Friedensnobelpreisträger.
Frahm stammte aus einer Arbeiterfamilie mit sozialdemokratischen Wurzeln. 1932 schloss er das renommierte Johanneum-Gymnasium in Lubece ab. Sehr früh engagierte er sich politisch, seit 1932 arbeitete er mit der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands zusammen; zu dieser Zeit beteiligte er sich auch als Journalist.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland 1933 wanderte er nach Norwegen aus, um dort einen SAPP-Tochterverband zu gründen und gegen die Nazis zu kämpfen. Er knüpfte zahlreiche Kontakte mit der norwegischen Arbeiterbewegung. Das Land wurde für den jungen Immigranten eine zweite Heimat. 1938 entzog die Regierung des Dritten Reichs Frahm seine Staatsbürgerschaft. Bereits damals nutzte er den Nachnamen Brandt und wurde norwegischer Staatsbürger. Zu seiner deutschen Staatsbürgerschaft kehrte er erst 1947 zurück. In den Jahren 1937-1939 war er Kriegsberichterstatter in Spanien. Nach der Besetzung Norwegens durch die Nazis flüchtete Brandt nach Schweden, wo er sein politisches Engagement fortsetzte. Zu dieser Zeit trug er zur Entstehung der Internationalen Arbeitergruppe der Sozialisten und Sozialdemokraten bei, deren Aufgabe es war, die Spaltung der sozialistischen Bewegung zu vermeiden und Richtlinien für ein zukünftiges, friedliches Miteinander in Europa zu erarbeiten. An diesen Arbeiten nahmen auch polnische Sozialisten teil, u.a. Jan Kwapiński (PPS), Mitglied der polnischen Exil-Regierung sowie Maurycy Karniol, Vertreter dieser Regierung für Skandinavien. 1944 setzte Karniol die Mitglieder des Gremiums von der Existenz der nationalsozialistischen Vernichtungslager in Polen in Kenntnis. Nach dem Ausbruch des Warschauer Aufstandes übersendete die internationale Gruppe demokratischer Sozialisten den „heldenhaften Soldaten der polnischen Heimatarmee" Grüße. In diesen äußerte man auch die Erwartung, dass die westlichen Alliierten den kämpfenden Polen den Kombattantenstatus und die entsprechende Hilfe zuerkennen. Während des Exil-Aufenthalts in Schweden äußerte sich Brandt zu den Beziehungen Deutschlands zu Polen und der Gestalt der gemeinsamen Grenze.
Er erkannte das Recht der Polen auf den Wiederaufbau ihres Staates, auf nationale Sicherheit und „territoriale Regulierung" an. Er unterstützte damals lediglich die geringfügigen Korrekturen an der deutsch-polnischen Grenze der Nachkriegszeit, was zukünftig jegliche separatistische Tendenzen aus der Welt schaffen sollte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Brandt nach Deutschland als Berichterstatter der skandinavischen (insbesondere norwegischen) Presse zurück. Er berichtete über den Verlauf der Nürnberger Prozesse. Auch fungierte er als Presse-Attaché in der norwegischen Militär-Mission im Alliierten Kontrollrat. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland verband er sein Leben mit Berlin. Hier begann er seine aktive Tätigkeit in der SPD als Parteivorstandsbeauftragter und dessen Vertreter bei den Alliierten. Dies war der Anfang seiner großen politischen Karriere. Er war langjähriger Abgeordneter West-Berlins im Bundestag. Zu seiner Zeit als Bürgermeister von Berlin (1957-1966) bewies er besonderes politisches Geschick, insbesondere in der Zeit der sogenannten „Zweiten Berliner Krise (1958)". Entschieden wies er das Chruschtschow-Ultimatum zurück, das eine Abschaffung des Besatzungsrechts in Westberlin und dessen Umwandlung in einen Freistaat forderte.
Während die Berliner Mauer gebaut wurde, forderte Brandt von den USA entschlossene politische Handlungen. Obwohl Kennedy eine militärische Intervention ablehnte, entschied er jedoch eine verstärkte Präsenz der USA in den westlichen Stadtteilen. Ein Zeichen der Unterstützung für Brandts unnachgiebige Politik war Kennedys Staatsbesuch in Berlin am 26.07.1963. Währenddessen fiel der berühmte Satz: „Ich bin ein Berliner", der das Vorhandensein einer Zusammengehörigkeit aller Demokratie-Befürworter symbolisierte.
1964 wurde Willy Brandt nach Erich Ollenhauer zum SPD-Vorsitzenden (bis 1987) gewählt. Er befürwortete Reformen innerhalb der SPD, u.a. das Godesberger Programm (1959). In den Parlamentswahlen 1961 und 1965 war er Kanzlerkandidat der SPD. Er strebte Änderungen in der Innen- und Außenpolitik an (sogenannte Politik der kleinen Schritte). Im Juli 1963 drückte er seine Anschauungen in einer Rede aus, die er gemeinsam mit Egon Bahr, dem Chef des Pressebüros vorbereitete. Darin stellte er fest, dass die Deutschen sich von dem Status Quo der Nachkriegszeit verabschieden und Voraussetzungen für die friedliche Konfliktlösung zwischen kommunistischem Osten und demokratischem Westen schaffen müssen. Man müsse „so viele reale Anschlusspunkte und so viel sinnvolle Kommunikation finden, wie es nur geht". In der Zeit der Großen Koalition CDU/CSU und SPD 1966-1969 war Brandt Vizekanzler und Außenminister. In dieser Zeit gelang es ihm, die der BRD drohende Isolation zu vermeiden (Intensivierung der Einigung Westeuropas und Unterstützung der Verbündeten, erste Normalisierungsversuche der Beziehungen mit den Ostblockländern). Nach den gewonnenen Bundestagswahlen durch SPD und FDP im August 1969 wurde Willy Brandt am 21.10.1969 zum Bundeskanzler gewählt. In seiner Regierungserklärung forderte er innere Reformen. Sein Leitspruch war: „Mehr Demokratie wagen".
Die ersten Jahre seiner Amtszeit standen im Zeichen großer Veränderungen der Außenpolitik, insbesondere in Hinsicht auf Mittelosteuropa (sogenannte „Ostpolitik"). Laut Brandt diente das Abkommen mit den kommunistischen Ländern der Gewaltbeendigung in der internationalen Politik, der Entspannung sowie Versöhnung mit dem Osten. Nach der Unterzeichnung eines Abkommens mit Moskau am 7.12.1970 schloss er mit Polen ein Abkommen über die Normalisierung gegenseitiger Beziehung ab. Dieser Vertrag bildete den Anfang vielseitiger deutsch-polnischer Beziehungen. Eine der Auswirkungen war die Entstehung der deutsch-polnischen Schulbuchkommission 1972, deren Aufgabe es war, die in den Schulbüchern oft stereotyp und wissenschaftlich nicht haltbar dargestellte deutsche und polnische Geschichte zu revidieren. Dies sollte eine der Verständigungsebenen zwischen beiden Ländern sein. Brandts Besuch in Polen im Dezember 1970 bekam symbolische Bedeutung durch Brandts spontanem Kniefall vor dem Ehrenmal der Helden des Ghettos in Warschau. Es war ein Tribut an die Opfer der deutschen Okkupation durch einen Politiker, der zwar immer ein Nazi-Gegner gewesen war, jedoch davon überzeugt war, dass er als Deutscher einen Teil der Verantwortung für den Krieg zu tragen hatte. „Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt." – erinnerte sich Brandt später. Das Foto mit dem knienden Kanzler ging um die Welt, jedoch erachtete es das Regime in Polen lange Zeit als beleidigend. Brandts Geste galt im polnischen Kollektivbewusstsein erst Anfang der 90er Jahre als ein Meilenstein auf dem Weg zur deutsch-polnischen Versöhnung. Brandts Aufmerksamkeit widmete sich auch der Dialogherstellung zwischen den beiden deutschen Staaten. Er erkannte das Bestehen von „zwei deutschen Staaten eines deutschen Volkes" an. Das war eine Vorbedingung für die Durchführung seiner Deutschlandpolitik. Nach dem Unterschreiben des Moskauer Abkommens und Abkommens mit Polen leitete der Kanzler erste Verhandlungen mit der DDR ein. Brandts Friedenspolitik wurde international geschätzt und gipfelte darin, dass ihm 1971 der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde. Seine Außenpolitik fand jedoch viele Kritiker, nicht nur auf der Seite der oppositionellen CDU/CSU, sondern auch in seiner eigenen Partei. Der Kanzler überstand das konstruktive Misstrauensvotum, jedoch verlor seine Partei die Mehrheit aufgrund der Abspaltung eines Teils der Abgeordneten. Nach vorzeitigen Wahlen wurde Willy Brandt im November 1972 erneut zum Kanzler gewählt. Dieses Ereignis war die größte Anerkennung seiner bisherigen Politik.
Die Neue Ostpolitik wurde mit der Unterzeichnung eines Abkommens mit der DDR im Dezember 1972 (Grundlagenvertrag) und im Dezember 1973 mit der Tschechoslowakei fortgeführt. 1973 wurden BRD und DDR in die Vereinten Nationen aufgenommen.
Brandts Erfolge in der Außenpolitik gingen nicht Hand in Hand mit denen in der Innenpolitik. In der BRD waren zu jener Zeit die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise offenbar und die Regierung konnte sie nicht eindämmen (Inflationsanstieg). Hinzu kamen die Konflikte innerhalb der SPD. Die Aufdeckung eines DDR-Spions im Mitarbeiterstab des Kanzleramts (Guillaume-Affäre) schwächte die Position des Kanzlers derart, dass dieser am 7. Mai 1974 zurücktreten musste. In den nächsten Jahren kam Brandt weiterhin seinen Verpflichtungen als SPD-Vorsitzender nach. Nach seinem Rücktritt 1987 wurde er Ehrenvorsitzender der Partei. In dieser Zeit setzte er sich international für die Sicherheit und Lageverbesserung der Entwicklungsländer ein. Als Vorsitzender der Nord-Süd-Kommission stellte er seine Vorschläge der Neuorientierung in Bezug auf die Entwicklungsländer vor. Die Entwicklung der Ostblockländer erfreute sich stets seines großen Interesses.
Nach der Einführung des Kriegsrechts in Polen 1981 appellierte Brandt im Namen der SPD und der Sozialistischen Internationale für die Freilassung der Gefangenen, Legalisierung der „Solidarnosc", Abschaffung des Kriegsrechts und Dialogaufnahme zwischen dem kommunistischen Regime und der polnischen Gesellschaft. Brandt wollte der polnischen antikommunistischen Opposition zeigen, dass die SPD deren Kampf um die Bürgerrechte unterstützt, ungeachtet anfänglicher Distanz seitens des Kanzlers Helmut Schmidt. Der Besuch in Warschau 1985, während welcher er sich mit Tadeusz Mazowiecki traf und mit Lech Walesa schriftlichen Kontakt aufnahm, diente genau diesem Zweck.
1989 befürwortete Brandt die Vereinigung Deutschlands. Der von ihm stammende Satz („Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.") ging in die Geschichte ein. Diese Formulierung umfasst einerseits Deutschland und andererseits Europa, die sich nach Jahrzehnten der Teilung wieder vereinigten. Den Abschluss von Brandts Handlungen, die während seiner Amtszeit von ihm ausgingen, bildete 1991 das Unterzeichnen des Abkommens über gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit zwischen dem vereinten Deutschland und freien Polen.
Krzysztof Ruchniewicz
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Marek Zybura
Prof. zw., dr hab. Marek ZyburaKierownik Katedry Filologii Germańskiej |
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dr Dariusz WojtaszynAdiunkt w Katedrze Nauk Historycznych |
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Prof. zw., dr hab. Krzysztof RuchniewiczDyrektor CSNE |
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